Kindheit, Familie und Klosterschulen 

(1770 – 1788)

 

Zeittafel:

1770:      Hölderlin wird in Lauffen am Necker geboren

1772:      Tod des Vaters im Alter von 36 Jahren

                Geburt seiner Schwester Rike  

1774:      Hölderlins Mutter geht eine zweite Ehe mit Johann Christoph Gock

                Umzug nach Nürtingen

1776:       Karl Gock, Hölderlins Halbbruder, wird in Nürtingen geboren

1779:      Johannas zweiter Ehemann stirbt an einer Lungenentzündung

                Hölderlin besucht die Lateinschule in Nürtingen

1784:      Hölderlin wird für 2 Jahre auf die niedere Klosterschule in Denkendorf geschickt

 Lauffen am Neckar

Der Klosterhof in Lauffen am Neckar,
                           Hölderlins Geburtshaus
                         Bleistiftzeichnung von Julius Nebel
Um 1800

 

1786:      Eintritt in die höhere Klosterschule in Maulbronn

                Hölderlin lernt die Werke Kloppstocks, Schubarts, Schillers sowie den Ossian

1787:      Hölderlin begegnet Louise Nast, der Tochter des Maulbronner Klosterverwalters

1788:      Eintritt ins Tübinger Stift

nach: Ulrich Häussermann, „Hölderlin“, Rowohlt Bildmonographie, 1970

 

                                                      

 

Die junge Witwe

 

Heinrich Friedrich Hölderlin starb im Alter von 36 Jahren an einem Schlaganfall. Er hinterließ seine schwangere Frau und seinen knapp zweijährigen Sohn.

Peter Härtling skizziert in seinem Roman „Hölderlin“ (S.10/ 11) die Situation nach dem Tod des Mannes/ Vaters folgendermaßen:

„Die Ratlosigkeit der jungen Witwe wird übermächtig gewesen sein, die Tränen, der Trost der Verwandten, die Lektüre von ihr unverständlichen Papieren, wobei wahrscheinlich Bilfinger und ihre ebenfalls verwitwete Schwägerin, Frau v. Lohenschiold, zu der sie mit den Kindern gezogen war, geholfen haben.[...]Sie hätte an ihrem Gott zweifeln können, doch nach allem, was man von ihr weiß, hat sie sich ihm gebeugt. [...]

Ihre Erscheinung war gewiß von Reiz, jugendlich, „voller Anmut“ und dem unbeholfen gemalten Porträt aus dem Jahr 1767 ist abzulesen, wie in sich gekehrt sie war, einem dauernden Schmerz zugewandt, nicht ohne Lust an einer wortarmen Melancholie. „Geistig“ sei sie nie gewesen, heißt es,  doch überaus gütig. Es fragt sich, was mit geistig  gemein sei. Zwar war sie den Ausbrüchen des Sohnes nicht gewachsen, aber sie hatte alle seine Gedichte gelesen, und diese Stimme war ihr vertraut; hochfliegende Unter- haltungen wird sie schweigend zugehört haben. sie dachte nicht in Metaphern. Sie dachte in engen Wirklichkeiten, wünschte, dass er [Hölderlin] Pfarrer werde. sie war zum dienen erzogen worden. Für eine Frau gehörte es sich so, Gottes Wille war ihr ohnehin Gesetz.“

 

Peter Härtling,, „Hölderlin – Ein Roman“ Luchterhand, Darmstadt 1976 (S. 10/ 11)

 

 

Johanna Christiana Hölderlin,
die Mutter des Dichters

(1748-1828)

Ölbild, 1767

 

 

 

Hölderlins Hauslehrer, Diakon Nathanael Köstlin (Juli 1779): Ich habe vor einiger Zeit die ehrenvolle Aufgabe bekommen den Sohn des Bürgermeisters Gok auf das Tübinger Stift vorzubereiten. Und bis jetzt kann ich über meinen Schüler kaum klagen. Er ist zwar ein bisschen verträumt, aber im großen und ganzen ein braver Schüler, dem griechische, lateinische und hebräische Vokabeln keine Mühe bereiten. Auch in Philosophie und Theologie gibt es kein Wort des Klagens. Das umfangreiche Pensum meistert er bravourös. Jedoch habe ich dies bei unserer ersten Begegnung keinesfalls von ihm gedacht. Er kam nur sehr zögerlich auf mich zu und sein Gesicht war voller Angst. Seine Mutter erklärte mir daraufhin, dass er ein sehr scheuer Junge sei. In unseren gemeinsamen Stunden schien er jedoch aufzublühen.

Wenn seine Aufmerksamkeit nach läßt, weiß ich geschickt ihn mit dem Erzählen von griechischen Sagen in den Bann zu ziehen. Auch unsere Stube unterm Dach entspricht ganz dem Griechentum - es ist nämlich unser „Olymp“ , in dem wir jeden Dientag und Donnerstag unsere gemeinsame Zeit verbringen. Ich spreche zu ihm, lese vor oder frage ab. Ablenkungen gibt es nicht. Besonders liebe ich seine klugen Fragen, die ich stets mit Wortgewandtheit zu beantworten versuche. Ich glaube, Friedrich gewinnt mich mit der Zeit lieb, und auch ich mag diesen Jungen sehr. (F)

Da ich ein Knabe war...

 

Da ich ein Knabe war,

Rettet' ein Gott mich oft

Vom Geschrei und der Rute der Menschen,

Da spielt' ich sicher und gut

Mit den Blumen des Hains,

Und die Lüftchen des Himmels

Spielten mit mir.

 

StA, Band 1, S.64 (die erste Strophe) 

 

 

Anmerkung: Hölderlin neigte später dazu seine Kindheit zu idealisieren, obwohl er in seiner Kindheit nicht den Eindruck eines glücklichen und ausgeglichenen Kindes machte. Dieses Gedicht ist ein Beispiel dafür.

 

 

„Sie haben mein ganzes Herz“

Maulbronn (1790): Am heutigen Tag gab die Familie des Klosterverwalters Nast die Aufhebung des Verlöbnisses
 zwischen Johann Christian Friedrich Hölderlin und ihrer Tochter Louise Nast bekannt .
Zur Maulbronner Zeit (1787) lernte der damals siebzehnjährige Hölderlin die neunzehnjährige Louise, seine „Stella“, kennen und Der Liebe war eine Freundschaft mit Louises Cousin, Immanuel Nast, vorrausgegangen.                                                                           Die Eltern haben zunächst versucht ihre Tochter von den Klosterschülern fernzuhalten, so dass die beiden auf heimliche Rendezvous und romantische Treffen angewiesen waren.  Als sie

 

 Hölderlin an Nathanael Köstlin

[Denkendorf, wohl Herbst 1787]

Hochehrwürdiger, Hochgelehrter

Insonders Hochzuverehrender Herr Helfer!

Ihre immerwährende große Gewogenheit und Liebe gegen mich, und noch etwas, das auch nicht wenig dazu beigetragen haben mag, Ihr weiser Christen – Wandel, erweckten in mir eine solche Ehrfurcht und Liebe zu Ihnen, dass ich, es aufrichtig zu sagen, Sie nicht anders als wie meinen Vater betrachten kann. [...]“

Friedrich Hölderlin, „Werke/ Briefe/ Dokumente“, Winkler Weltliteratur, München 1963; S. 687

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

jedoch erfuhren, daß es sich um den begabten Hölderlin handelt, der voraussichtlich bald Pfarrer werden würde, sahen sie die Zukunft ihrer Tochter gesichert und stimmten dem Verhältnis wohlwollend zu. Doch der junge Hölderlin hatte seine „Stella“ zu sehr idealisiert und schien eine Heirat auch nie wirklich in Erwägung gezogen zu haben. Nach seinem Umzug nach Tübingen blieb der Briefkontakt noch einige Zeit bestehen, dann aber trennt er sich, für die Familie plötzlich, von ihr. (F)

Anmerkung: Zwar überschreitet dieser Artikel den oben festgelegten Zeitrahmen, wir begründen die Einordnung aber mit der thematischen Zusammengehörigkeit.

 

 

       

 

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An Louise Nast

Laß sie drohen die Stürme, die Leiden
Laß trennen - der Trennung Jahre
Sie trennen uns nicht!
Sie trennen uns nicht!
Denn mein bist du! Und über das Grab hinaus
Soll sie dauren die unzertrennbare Liebe.
 

O! wenn's einst da ist
Das große seelige Jenseits
Wo die Krone dem leidenden Pilger
Die Palme dem Sieger blinkt
Dann Freundin - lohnet auch Freundschaft -
Auch Freundschaft - der Ewige.

 

StA, Band 1, Seite 64. (www.hoelderlin-online.de